Wie Irans Bitcoin-Strategie zurückschlägt

Der Iran nutzt Bitcoin-Mining, um die Sanktionen zu umgehen. Dies verschärft aber die Energiekrise, bereichert Chameneis Revolutionsgarde – und befördert die Kapitalflucht. Das Regime lernt auf die harte Weise, dass es Bitcoin nicht kontrollieren kann.

Was als „vom Staat genehmigter Behelf gegen die Sanktionen“ begonnen habe, schreibt das Middle East Forum, „mutierte in ein Sicherheitsproblem.“

Gemeint ist das Bitcoin-Mining. Auf dieses hatte sich der Iran eingelassen, nachdem die US ab 2018 die Sanktionen anzog: Bitcoin sollte ein Werkzeug werden, um die Außenwirtschaft mit Devisen zu versorgen und Terrorgruppen in der Region zu finanzieren. Die Strategie war längst nicht so erfolgreich, wie erhofft – und rächt sich nun. Wie alle autokratischen Regime sah die Islamische Republik in Bitcoin ein Werkzeug, das es, wie alles im Land, kontrollieren kann. Nun realisiert sie, dass sich Bitcoin der Kontrolle entzieht.

Vielleicht könnte Bitcoin sogar dazu beitragen, den Niedergang der theokratischen Diktatur zu beschleunigen.

Bitcoin-Mining, um Sanktionen zu umgehen

Bitcoin ist ein Geld der Freiheit: Jeder kann es schöpfen, speichern und überweisen, niemand kann es kontrollieren, zensieren und vereinnahmen. Deswegen verkörpert Bitcoin – ob man es will oder nicht – auch für Tyrannen, wie sie in der Islamischen Republik Iran herrschen, eine Chance, sich aus den drückenden Finanzsanktionen zu befreien. Das macht es seit jeher interessant, zu beobachten, wie es um Bitcoin im Iran steht.

Zunächst folgte das Land der chinesischen Linie: Bitcoin und andere Kryptowährungen waren zwar legal, aber es war verboten, sie als Zahlungsmittel zu verwenden. Aber um die 2020er Jahre herum öffnete es sich. Zunächst legalisierte es Krypto-Zahlungen, wenn auch nur für Importe, dann legalisierte es das Mining und entwickelte ein System der Lizenzvergabe.

Bitcoin war und ist für den Iran ein Werkzeug, die Sanktionen zu durchstoßen, und zwar mit einem Geld, das das Land aus Gas und anderen Energierohstoffen selbst erzeugen kann, anstatt diese durch den Export gegen Devisen zu tauschen.

Bereits 2021 schöpfte der Iran anscheinend fast fünf Prozent aller neuen Bitcoins. 2022 vergab das Regime Lizenzen für mehr als 10.000 Farmen und erlaubte den Betrieb von rund 90 Krypto-Börsen. 2024 haben Analysten zufolge 4,18 Milliarden Dollar in Kryptowährungen den Iran verlassen, 70 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Plan scheint aufzugehen: Bitcoin versorgt die grenzübergreifenden Kapitalflüsse des sanktionierten Landes mit Liquidität. Bitcoin bewässert die ausgetrockneten Geldströme.

Doch wenn man nur ein kleines Stückchen genauer hinschaut, trübt sich das Bild. Denn Bitcoin wird zum Stachel in den wunden Stellen der Islamischen Republik.

Engpässe in der Stromversorgung

Zunächst einmal verschärft das Mining die Engpässe der Stromversorgung. Das Land leidet seit etwa 2018 an regelmäßigen, immer häufiger auftretenden Blackouts.

Heute scheint die Stromversorgung kurz vor dem Kollaps zu stehen. In Teherans Vorstädten fällt zweimal am Tag der Strom für Stunden aus, es fehlt die Spannung, um Wasser in höhere Stockwerke zu pumpen, und der öffentliche Dienst, einschließlich des Nahverkehrs, macht in Stoßzeiten Pause.

Teheran. Bild von Giorgio Montersino via flickr.com. Lizenz: Creative Commons

Das Land behauptete zwar, 85 Gigawatt zu produzieren, doch laut Statistiken des Energieministeriums von 2021 beträgt die Kapazität nur 64 Gigawatt. Viele Kraftwerke, die in die offizielle Statistik einfließen, sind längst außer Betrieb, und die Regierung ist nicht in der Lage, ihre Zubau-Ziele auch nur annährend zu erfüllen, während der Verbrauch konstant wächst. Das ist das erste Problem. Das zweite ist der zunehmende Verschleiss des Netzes. Laut einer Schätzung vor einigen Jahren verliert das Netz etwa 13 Prozent des Stroms (in Deutschland sind es knapp sechs Prozent). Schon diese beiden Probleme haben regelmäßige Blackouts verursacht.

Nun kommt als drittes Problem der Klimawandel hinzu. Von diesem ist der Iran wie kaum ein anderes Land betroffen. Nirgendwo in Asien steigen die Temperaturen schneller, kaum wo trocknen die Böden so rasant aus. Weite Teile des Landes verwüsten, was bereits eine innere Massenmigration ausgelöst hat.

Anfang Mai 2025 schlugen Behörden Alarm, dass die Dürre bereits 44 große Staudämme beeinträchtige. Im Vergleich zum Vorjahr haben die Wasserreservoires um 37 Prozent abgenommen. Manche, etwa in der Provinz Teheran, sind nur zu 24 Prozent gefüllt. Die Schneereserven in den Bergen, welche die Gewässer im Frühjahr gewöhnlich füllen, sind im Lauf des Jahres um fast 50 Prozent zurückgegangen.

Wegen der Dürre fallen rund 12,5 Gigawatt aus. Dies kommt zu den bestehenden Problemen der Energieversorgung hinzu.

Blackouts

Zeitschriften wie Iran International schreiben schon lange über Stromausfälle. Aber in diesem Jahr hat die Taktrate erheblich zugenommen. Seit März gab es fast ein Dutzend Artikel zu Problemen der Stromversorgung.

Blackouts seien, klagt ein Kommentar, „nun ein tägliches Übel. Sie treffen Unternehmen, Fabriken und Haushalte.“ Im Mai haben im ganzen Land Bäcker demonstriert, weil die steigenden Betriebskosten und regelmäßigen Blackouts ihre Geschäfte ruinieren. „Eine weit verbreitete Unzufriedenheit wächst, da das Leben von Millionen von Menschen durch die Blackouts gestört wird.“ Die sozialen Medien sind voller Videos mit Leuten, „die in Aufzügen gefangen sind, Ampeln, die ausfallen und massive Staus verursachen, und Wasser, das die höheren Stockwerke nicht erreicht, weil die Pumpen nicht mehr funktionieren.“

Sogar die mobilen Daten fallen aus, „weil Netzbetreiber gezwungen werden, Funktürme auszuschalten, um Schäden zu verhindern, wenn sich die Backup-Batterien leeren.“ Viele kleine Unternehmen, „darunter Bäckereien, Restaurants und Cafés, berichten, dass Lebensmittel verderben.“

Der Strom fällt in Teheran so regelmäßig aus, dass es Statistiken gibt, welche Viertel häufiger abgeschalten werden. Natürlich die ärmeren, die Vorstädte im Süden. Die Elektrizitätswerke verteilen zwar Blackout-Pläne, doch Bewohner der Vororte berichten von weiteren, unvorhersehbaren Stromausfällen. „Wir haben zwei Blackouts am Tag, manchmal für jeweils zwei Stunden.“

Blackouts sind im Iran seit Jahren ein Thema. Diese Breite und Intensität ist aber neu. Das Stromnetz des Landes scheint kurz vor dem Kollaps zu stehen.

Mining und die Revolutionsgarde

Das Bitcoin-Mining ist nicht die Ursache für die Engpässe der Stromversorgung. Laut Statistiken verbraucht es etwa zwei Gigawatt, was bei einem Mangel von maximal 25 Gigawatt nur ein Tropfen auf dem heißen Sand ist.

Allerdings verschärft das Mining die Probleme, und erschwert es, sie zu lösen. Daher versucht das Energieministerium seit langem, es besser zu kontrollieren. Doch die Probleme dabei zeigen, wie schwer es sein kann, einen Geist zu bändigen, den man sich ins Haus gerufen hat.

Zuerst einmal sind da die Subventionen. Ein gewaltiges Problem: Der Iran subventioniert Strom wie kein anderes Land. Eine Kilowattstunde kostet 0,2 Cent. Es existieren weder Anreize, zu haushalten – wegen der Blackouts eher im Gegenteil — noch ein Markt, der knappe Ressourcen effektiv verteilt. Einen Bitcoin zu erzeugen kostet zwischen 1.000 und 2.000 Dollar Strom. Dies, meint das Middle East Forum, „macht es nahezu unmöglich, Restriktionen durchzusetzen.“ Es ist schlicht zu profitabel, aus den Subventionen Bitcoins zu extrahieren, als dass es zu unterbinden wäre.

Dazu kommt die politische Problematik. In der Islamischen Republik verschränken sich säkulare und theokratische Elemente, im Militär steht den regulären, weltlichen Kräften, den Artesch, das Korps der Islamischen Revolutionsgarde gegenüber, das direkt dem Religionsführer Ali Chamenei untersteht. Diese Garde schaltet nicht nur Gegner im Inneren aus, sondern organisiert auch den „schwarzen Außenhandel“, umgeht also die Sanktionen. Sie wurde „abhängig von Krypto-Mining und priorisiert dessen Betrieb über die nationale Wohlfahrt.“

Das Matschles, das iranische Parlament. Bild von سید محمود جوادی via wikipedia.org. Lizenz: Creative Commons

Dies zeigte sich etwa 2021: Das Energieministerium wollte eine illegale Farm abschalten, doch die Revolutionsgarde marschierte auf und verhinderte dies, offenbar durch den Gebrauch von Schusswaffen. Als das Energieministerium anschließend beim Geheimdienst- und Sicherheitsministerium um Hilfe bat, verweigerte dieses seine Unterstützung. Bitcoin scheidet die Institutionen des iranischen Staatswesens.

2022 erlaubte die Regierung den militärischen Institutionen, eigene Stromleitungen zu unterhalten. Damit kann sich die Revolutionsgarde nicht nur den subventionierten Strom sichern, sondern auch Teile der kostenlosen Elektrizität für den öffentlichen Dienst abgreifen. Sie kann mehr oder weniger umsonst minen.

Mitrade zufolge sind die Revolutionsgarden der Kern einer Art „Kartell“, welches „staatliche Ressourcen für persönliche Profite umleitet“, was auch zu Korruption in der Garde führt. Schätzungen zufolge gehören rund 100.000 der 180.000 Mining-Geräten im Land diesem Kartell und seinen Unternehmen.

Das Middle East Forum schlussfolgert: „Die Beziehung der Islamischen Revolutionsgarde zur Regierung wird zunehmend parasitär anstatt symbiotisch. Die Revolutionsgarde bereichert sich selbst, während sie Kapitalflucht und Blackouts verursacht und die Kontrolle der Regierung über die Wirtschaft löst.“

Kapitalflucht

Damit hätten wir das zweite große Problem, das Bitcoin der Islamischen Republik bereitet: die Kapitalflucht.

Eigentlich sollten Kryptowährungen den darniederliegenden internationalen Handel beleben. Doch dies habe bisher kaum Erfolg gehabt, meint das Middle East Forum. Laut einem Bericht müssen iranische Händler Geld in die Vereinigten Arabischen Emirate überweisen, um es in Kryptowährungen zu konvertieren, wobei Gebühren von mehr als 20 Prozent anfielen.

Hilfreich sind Kryptowährungen hingegen in der Kapitalflucht. „Börsen im Iran erleben derzeit einen Anstieg von Usern und Abflüssen, mit Transaktionsmustern, welche für Kapitalflucht sprechen“, erklärt der Blockchain-Analyst Chainalysis. Wenn man sich die Kapitalflüsse genauer anschaue, „weisen sie weniger auf illegale Finanzen oder staatliche Aktivitäten hin, sondern eher darauf, dass die Bürger des Landes ihrer Regierung immer weiter misstrauen und ein drängendes Bedürfnis haben, ihr Vermögen aus dem Land zu schaffen.“

Die Kapitalflucht im Iran nimmt derzeit explosiv zu. Seit 2018 ist sie um 450 Prozent gestiegen, in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres sind 14 Milliarden Dollar aus dem Land geflohen.

Ein wesentlicher Grund dürfte die Inflation sein. Die offiziellen Wechselkurse, denen zufolge ein Dollar seit Jahren stabil rund 42.000 Rial kostet, sind pure Fantasie, da es niemanden gibt, der offiziell Dollar gegen Rial tauscht. Auf Schwarzmärkten sankt der Kurs im Lauf des vergangenen Jahres von rund 577.000 Rial je Dollar auf etwa 830.000, mit einer Spitze über einer Million im April. Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich weiter; für 2025 erwartet der IWF ein Wachstum von nur noch 0,3 Prozent.

Bitcoin und andere Kryptowährungen spielen in der Kapitalflucht keine geringe Rolle. Denn so, wie der Westen den Iran durch Sanktionen daran hindert, Geld ins Ausland zu überweisen, hindert das Regime seine Bürger, ihr Geld aus dem Land abzuziehen. Und so wie Bitcoin es dem Iran erlaubt, Sanktionen zu umgehen, können sich Bürger durch Bitcoin den Kapitalkontrollen entziehen. Für viele Iraner, erklärt Chainalysis, „repräsentieren Kryptowährungen ein alternatives finanzielles System“, das immer mehr Bürger nutzen, „um ihren Wohlstand zu schützen und finanzielle Restriktionen zu umgehen.“

Sicherlich stellen nicht die gesamten 4,18 Milliarden Dollar in Krypto, die aus dem Land abfließen, eine Kapitalflucht dar; und sicherlich machen Kryptowährungen nur einen Teil der Kapitalflucht von 14 Milliarden aus. Aber sie sind aus dem Geschehen ebenso wenig wegzudenken wie die Miner aus den Stromproblemen – und wie dort machen sie es schwierig bis unmöglich, die Probleme in den Griff zu bekommen.

Quelle: bitcoin.de